Der Fotoregisseur
In „Nightmare in Paradise“ visualisiert Moritz Koch den Schwebezustand zwischen Verstand und Gefühl mit kinoreifem Aufwand.
Mitte August letzten Jahres auf dem Parkplatz eines Discounters bei Bischofsheim. Moritz Koch steht auf einer Hebebühne und dirigiert aus vier Metern Höhe das Geschehen unter sich. 30 Oldtimer sind auf der Parkfläche vor dem Supermarktgebäude vorgefahren – vom VW Käfer und einem alten Bully über diverse französische Modelle aus den 60ern bis hin zu alten US-Straßenkreuzern. Überall auf dem Gelände sieht man Menschen in unterschiedlichsten Outfits und Kostümierungen, die seltsame Dinge tun. Koch gibt letzte Anweisungen per Funk, er lässt einen Wagen ein Stück weiter vorrollen, die Filmleuchten feinjustieren, einige Protagonisten bittet er mehr nach links oder rechts zu schauen. Schließlich ruft er: „In Position – Aufnahme!“ Zweimal nur drückt er auf den Auslöser der Phase-One-Kamera – das war’s.
Ein paar Wochen später, nach diversen Postproduktions-Eingriffen, ist das zum Bilderzyklus „Nightmare in Paradise“ gehörende Werk final. GREED (Gier), so der Titel, ist ein wahrhaftes Wimmelbild, überall entdeckt der Betrachter Eigentümliches, Rätsel aufgebende Details: An der Fassade des Supermarkts prangt statt eines Logos ein weißer Ring wie ein drohendes Menetekel. Ein Mann schiebt einen Einkaufwagen, in dem ein Feuerlöscher steckt. Ein anderer – er trägt ein Sakko, hochhackige Schuhe und einen feuerroten Rock – schaut unter die Motorhaube einer Limousine. Ein Junge sitzt im Inneren eines Wagens, umgeben von bunten Heliumballons. Unter einem Auto lugt eine Hand hervor, neben einem anderen liegt eine zerbrochene Puppe. Im Hintergrund, auf einer flurbereinigten Feldlandschaft, die an die Umgebung der US-Suburb-Malls denken lässt, sind die Umrisse einer Rakete zu erkennen. Im Zentrum des Geschehens aber steht ein Lincoln Continental, jenes Automodell, in dem John F. Kennedy 1963 ermordet wurde. Hinter dem Steuer sitzt ein weibliches Wesen mit maskenhaften Gesichtszügen. US-Oldtimer vor einem mitteleuropäischen Supermarktzweckbau, erratisch anmutende Handlungen und eine Umgebung, die nicht zum Setting passen will …
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