Moment Mal

Der Dortmunder Fotostudent Max Slobodda macht einen Schritt nach vorn und lässt die Dinge dann auf sich zukommen. Nicht die schlechteste Strategie – wie seine surreal zwischen Dokumentation und Insze-nierung mäandernden Bilder zeigen. Von Peter Schuffelen

Street Photography, Slobodda

Entschleunigung ist eine gute Sache, solange man es nicht über-treibt. Max Slobodda kann davon ein Lied singen. Mit 21 war Max mit einer Digitalkamera in die Fotografie gestartet, hatte zwei Jahre lang mit Schwarzweiß-, Makro- und HDR-Aufnahmen experimentiert, ehe er sich eine Contax T2 mit 35-mm-Objektiv zulegte, um Alltagsmomente auf analoge Weise festzuhalten. Max war begeistert von dem Medium, das ihn an die Bilder seiner Kindheit erinnerte – von den sonderbaren Farben, dem Korn, der weichen Schärfe, den Artefakten, die immer mal wieder auftauchten, vor allem aber von der entschleunigten Art des Fotografierens. Auch während seines Studiums an der FH Dortmund blieb er der analogen Fotografie treu. Er lotete das Medium mit verschiedenen Kameras aus, bis hin zum Mittelformat. „Die aufwändige Arbeitsweise und die unvermeidlichen Rückschläge begannen, mich zu ermüden“, sagt Slobodda. „Irgendwann war ich so entschleunigt, dass ich fast keine Fotos mehr machte. Das ist natürlich nicht besonders befriedigend, wenn man Fotografie studiert.“

„Als die postdokumentarische Herangehensweise zur Routine zu werden drohte, versagte der Kamera-Verschluss. Das war der Weckruf.“

Fotografieren im öffentlichen Raum

Eine Zeit lang nahm der heute 31-Jährige gar keine Kamera mehr in die Hand. Vor vier Jahren aber fand er über die Straßenfotografie zurück zum Medium. „Ich bin auf die Bilder von Matt Stuart und Pau Buscató gestoßen und war von ihren szenischen Überlagerungen, ihrem Humor und der Art, wie sie die Straße inszenieren, völlig begeistert.“ Das war der entscheidende Auslöser. Slobodda verkaufte sein Analog-Equipment und legte sich eine Ricoh GR zu, eine handliche Digitalkamera mit APS-C-Sensor und lichtstarkem 35-mm-Objektiv (KB-äquivalent). Dann ging er auf die Straße. „Ich habe so viel fotografiert wie nie, auf Partys, vor allem aber im öffentlichen Raum“, sagt Slobodda. Um in Ruhe arbeiten zu können, verhielt sich der eins neunzig große Dortmunder wie ein Tourist, der mit seiner Knipse durch die Gegend zieht. Die Tarnung half – meistens jedenfalls. Einmal rückte die Polizei an, weil Passanten „einen großen Mann“ gemeldet hatten, „der seit einer Stunde vorm U-Bahn-Eingang steht und Fotos macht“. Ein anderes Mal drohten drei Frauen damit, die Ordnungskräfte zu rufen, weil sie nicht glauben konnten, dass er lediglich ihre Schatten fotografieren wollte. „Deutschland ist ein schwieriges Terrain für Straßenfotografen. Jeder schießt und postet andauernd Selfies. Aber sobald du deine Kamera zückst, rufen sie nach dem Anwalt“, sagt Slobodda.
Der frisch geborene Straßenfotograf ließ sich nicht beirren, er fotografierte und fotografierte: bildwitzige Momentüberlagerungen, grafisch abstrahierte Stadtlandschaften, skurrile Momente. Als er 450.000 Auslösungen gemacht hatte, ging die Ricoh GR vor der Arbeitswut ihres Besitzers in die Knie. „Ich mag diese Kamera wirklich schrecklich gern, sie ist handlich …

 


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