Kaufgesichter „ex machina“

„Synthetische Portraits“ sind Menschenbilder, die ohne Kamera und Modell per künstlicher Intelligenz am Computer entstehen.

„Panther Media veröffentlicht als erste Bildagentur weltweit synthetische Fotos für die kommerzielle Nutzung“. So war die Pressemitteilung überschrieben, welche die 2004 in München gegründete Bildagentur Anfang dieses Jahres verschickte. Angeboten werden mithilfe von KI erstellte Portraits, und das sowohl auf der professionellen Bezahlplattform panthermedia.net als auch auf smarterpix.com, einer „kostenlosen Bilder- und Mitgliedschaftswebsite“ des Unternehmens. Tatsächlich sind rund 100.000 Bilder kostenfrei, circa weitere 20 Millionen weitere Bilder sind im Rahmen eines Abonnements für 9,90 Euro pro Monat nutzbar.

Im ersten Schritt konzentriere sich die Bildkollektion auf Portraitbilder, das Bildangebot werde aber sukzessive um andere Themen erweitert. Für die technische Umsetzung, also die Generierung der „Portraits“, zeichnet „vAIsual“ verantwortlich. Das mit Panther Media kooperierende Technologieunternehmen hat sich auf die Produktion „vollsynthetischer Medien“ auf Basis von Generative Adversarial Networks (GANs) spezialisiert. Vereinfacht gesagt, treten bei diesem Verfahren zwei KI-Netzwerke in eine Art kontinuierliches Zwiegespräch, verbessern sich dabei gegenseitig und entwickeln aus diffuser Bildinformation nach und nach ein fotorealistisches „Zielobjekt“ – in diesem Fall: ein Portrait.

Panther Media spricht von einem „Meilenstein in der Geschichte der Fotografie“. Einerseits ist offensichtlich, dass die Produktion und Lizenzierung künstlicher Portraits ein Potenzial in bestimmten Nutzungsbereichen für Portraitfotos hat. Schließlich liegen die Vorteile des Verfahrens auf der Hand – allen voran die Tatsache, dass kein Model-Release mehr erforderlich ist, weil den „Portraits“ kein real existierender Mensch zugrunde liegt, den man fragen müsste. Andererseits: Um „Fotografie“ im eigentlichen Wortsinn, also das Aufzeichnen von Bildern mit Licht, sprich mit einer Kamera, handelt es sich aber eben gerade nicht.

Willfährige Rechnergestalten

„Dürfen wir uns vorstellen? Uns gibt es nicht! Deswegen kannst du mit uns praktisch alles machen, was du willst! Niemand kann sich beschweren. Das ist doch großartig, oder?“, so werden die synthetischen „Menschen“ auf der Website etwas unglücklich zitiert.

Gemeint ist natürlich, dass diese Wesen keine physische Grundlage in der realen Welt haben und sich daher ohne weitere rechtliche Vertragsschließungen in beliebigen visuellen Zusammenhängen nutzen lassen. Anwendungsbereiche sehe man entsprechend auch und gerade in „sensiblen Einsatzbereichen“. Beispielsweise bei der Bewerbung von Medikamenten oder bei Kampagnen gegen Drogenmissbrauch, die „bislang mit Model-Release-Bildern nicht abgedeckt werden“ können, so die Bildagentur, welche die Kunst-Köpfe durch vAIsual vor weißem bzw. grünem Hintergrund hat generieren lassen, um eine inhaltlich flexible Weiterverarbeitung zu vereinfachen.

Das „unheimliche Tal“ ist bereits durchschritten

Wer die Bilder der Panther Media „Synthetic Humans Collection“ unter die Lupe nimmt, wird hier und da auf Artefakte stoßen. Insgesamt sind die Ergebnisse aber von einer erstaunlichen, vor Kurzem noch undenkbaren Natürlichkeit. Das „Uncanny Valley“, das „unheimliche Tal“, das die Akzeptanzlücke beschreibt, die Forscher bei Betrachtern künstlicher Figuren ausgemacht haben, ist bereits durchschritten: Zunächst reagiert der Mensch aus Fleisch und Blut nämlich umso ablehnender, je menschenähnlicher ein Avatar wird. Sobald die synthetisierten Menschen aber optisch nicht mehr von echten unterscheidbar sind, schließt sich die Akzeptanzlücke. Genau das dürfte auf die Kunstgesichter der„Synthetic Humans Collection“ zutreffen – auch dank eingerechneter Schönheits- und „fotografischer“ Abbildungsfehler.

Mensch-Maschine: Die visuelle Kompetenz stirbt zuletzt

Was aber bedeutet das für professionelle Fotografen? Zunächst klingt das erst einmal nach einer schlechten Nachricht für all diejenigen, die von der Menschenfotografie leben. Zwar heißt es auf der Website von Smarterpix …

 


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