Fotografie macht Schule

Kinder auf den Philippinen fotografieren ihr Leben und finanzieren damit ihre Schulausbildung: „Hilfe zur Selbsthilfe“ lautet die Grundidee der NGO „Art Meets Education“, die 2016 startete und jetzt in die nächste Runde geht. Zeit für eine Zwischenbilanz mit Gründer Nico Klein-Allermann. Von Peter Schuffelen

AME-Teilnehmer mit ihren Werken.

Bildung ist hierzulande eine Selbstverständlichkeit. Schule ist da, einfach so, ist Pflicht, nervt manchmal. Am Ende haben die allermeisten einen Abschluss und damit die Chance, sich auf einen mehr oder weniger gut bezahlten Job zu bewerben, sich selbstständig zu machen, zu studieren oder das Rüstzeug, die Welt zu verstehen, sich eigenhändig weiterzubilden. Zum Beispiel fotografisch.

Nico Klein-Allermann hat genau das getan. Er hat Abi gemacht, dann ein Fotografie-Studium in Berlin begonnen. Biografisch hat er einen engen Bezug zu den Philippinen, seine Mutter kommt von dort. Er war in seiner Kindheit und Jugend praktisch jedes Jahr in Manila, hat dort Verwandte besucht und nebenbei Johnny kennengelernt.

Johnny hatte einen Barbecue-Stand am Rande eines Baryos, eines ärmlichen Stadtteils von Manila, Nico ging zur Schule – da waren beide zwölf. Nico machte Abitur, Johnny betrieb seinen Barbecue-Stand. Nico studierte Fotografie, dann Erziehungswissenschaften; später machte er sich als Dokumentar- und Editorial-Fotograf selbstständig und bereiste die Welt. Johnny wurde derweil Familienvater, und auch heute noch steht er am Straßenrand und verkauft Gegrilltes. Nico hat diese und andere Begegnungen, die er in Slums der philippinischen Hauptstadt hatte, als schwer erträglich erlebt. Doch anstatt wegzuschauen und das Gefühl der Ungerechtigkeit zu verdrängen, gründete er 2016 gemeinsam mit einer Freundin die Organisation „Art Meets Education“, kurz AME. Der Gedanke hinter der NGO ist schnell erklärt: Statt über konventionelle Charity-Arbeit und Fundraising Gelder einzusammeln und an bedürftige Kinder zu verteilen, ermutigt AME diese, selbst aktiv zu werden – fotografisch.

Gestellt werden Einwegkameras. Die Kinder erhalten vor Ort eine technische Einweisung von Mitarbeitern der mittlerweile 20 Freiwillige zählenden Organisation, und sie werden darüber aufgeklärt, wie ihre fotografischen Aktivitäten dazu beitragen, dass sie selbst ihre Schulbildung finanzieren können. Das funktioniert wie folgt: Eine Woche lang fotografieren die Kinder im Rahmen eines Fotografie-Workshops in Manila, was immer sie möchten. AME sichtet und „kuratiert“ die Ergebnisse, organisiert Ausstellungen mit den Werken der kleinen Künstler, verkauft handsignierte Prints in limitierter Auflage über den eigenen Shop, dazu Poster und Postkarten der kindlichen Kunstwerke. Darüber hinaus wurden gemeinsam mit dem Hamburger Modelabel für faire und nachhaltige Mode „Fuxbau“ Merchandising-Produkte wie Handtaschen oder Kleidung mit dem AME-Logo entworfen, die man seit Anfang Dezember im AME-Shop und ab nächstem Jahr im Fuxbau-Onlineshop bestellen kann. Die generierten Erlöse werden – ergänzt durch Spenden – dazu verwendet, jedem teilnehmenden Kind eine Schulausbildung bis zur zwölften Klasse zu ermöglichen.

Noch komme das Gros der Finanzierung über Spenden zusammen, sagt Nico. Das Ziel sei es aber, den Anteil der Einnahmen, die über den Verkauf der Bilder erwirtschaftet werden, deutlich auszubauen – etwa über eine Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit. So gibt es unter anderem eine Kooperation samt Online-Festival mit dem reichweitenstarken Instagram-Auftritt von Pangea (dessen Macher Johannes Höhn wir ab S. 14 in diesem Heft vorstellen). „Die Kommunikation über die sozialen Medien gewinnt immer mehr an Bedeutung“, sagt Nico. „Das Tolle daran ist, dass man sich in Echtzeit mit den AME-Leuten vor Ort verbinden und zeigen kann, wie das Ganze funktioniert.“

Kritisches Zeitfenster

Unterstützt werden Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren, die aus unterprivilegierten Familien stammen, deren Eltern das Geld für Schulbus, Bücher usw. nicht aufbringen können, ihren Kindern aber grundsätzlich einen Schulbesuch ermöglichen möchten. „Sind die Kinder jünger, verstehen sie nicht, was man mit einer Kamera macht, sind sie älter, haben sie meist kein Interesse mehr, dann haben sie sich einer der Jugendbanden angeschlossen und sind verloren für die Fotografie – und für die Schule“, so Nico.

Der Erfolg gibt dem Gründer und seinen Mitstreitern recht. „Wir haben mit unseren Helfern vor Ort ein Monitoring- und Nachbetreuungssystem aufgebaut, …


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