Nicht zu fassen

Portraits, Landschaften, Akt, Street: Der fotografische Späteinsteiger Sebastian Trägner mag sich weder auf ein Sujet noch auf einen Stil festlegen.

Ein eigener, kongruenter und wiedererkennbarer Stil: Diese Art der Profilierung gilt vielen als Grundvoraussetzung für fotografischen Erfolg. Sebastian Trägner hat das nie interessiert; stattdessen ist er einfach losgezogen mit seiner Kamera und hat festgehalten, was ihn bewegte. Erst Obdachlose in Köln (schwarzweiß, allerdings ohne den einschlägigen sozialdokumentarischen Tonfall, vielmehr auf ästhetische Weise). Dann Portraits und Körperstudien, Gesichtspartien, Hände, Füße, die Intimregion, mal schwarzweiß, mal farbig, oft bewegungsunscharf oder leicht „out of focus“, mal im gestochen scharfen Highgloss-Look, zuweilen auch im Snapshot-Look. Schließlich Pflanzen, Tiere, vor allem aber Landschaften, die ihren Zauber durch ihre Formen und das Spiel der Naturmächte entfalten – durch starke Kontraste, unwirkliche Farben, weiches Licht und Spiegelungen im Wasser.

Er hat sich mit Subkulturen auseinandergesetzt, eine Zeit lang beispielsweise mit der Latex-Szene („Liquid Dreams“). Seine Bilder waren in Solo-Ausstellungen der Leica-Galerien Düsseldorf und Nürnberg zu sehen, insgesamt war er in diesem Jahr in zehn Ausstellungen vertreten. Er hat ein Buch mit einem Best-of seiner Shots herausgebracht und vermarktet seine Bilder über die Galerie 30works. Dieses freie Arbeiten an selbstbestimmten Projekten ist ihm wichtig; er will seinen thematischen Interessen und visuellen Instinkten folgen und sich weiterentwickeln. Zugleich versteht er diese Arbeiten als Visitenkarten – als Aushängeschilder für mögliche Auftragsprojekte.

Fulminanter Spätstart

Sebastian Trägner war schon vieles in seinem Leben: Profi-Skateboarder, Reiseleiter, Herrenausstatter, Modelabel-Stylist, Einzelhandelsfilialleiter, Model, Influencer. Eine Kamera nahm er erstmals mit Mitte 30 ernsthaft in die Hand, kurz nach einem schleichenden Burn-out. Seine damalige Freundin schenkte ihm eine Amateur-DSLR, die er immer öfter bei sich trug – der Blick durch den Sucher hatte etwas Beruhigendes. Einige Monate später kündigte er seinen Job, um freiberuflicher Fotograf zu werden.

Ein Freund sah seine Bilder und sagte: „Was du da machst, ist direkt, ehrlich und im positiven Sinne: naiv. Was du brauchst, ist eine Leica M.“ „Trägi“, wie ihn die meisten nennen, ging in ein Kölner Fachgeschäft, nahm die Leica in die Hand, sah dann das Preisschild, rief seinen Kumpel an und sagte: „Bist du verrückt geworden?“ Trotzdem nahm er einen Kredit auf, kaufte die Kamera mit dem roten Punkt, dazu ein Voigtländer Nokton 35 mm 1:1,5. Eine Weile fluchte er, …


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