Positiv, negativ

Als die Pandemie anfing, tat Vera Nowottny das, was sie immer tut: Sie hielt fest, was um sie herum passierte. Die ersten Bilder von den Absurditäten, welche die historische Ausnahmesituation mit sich brachte, machte sie mit ihrem Handy. Absperrgitter, zwischen denen kein Mensch steht, Desinfektionsmittelspender und Trennwände aus Plexiglas irgendwo inmitten einer Berglandschaft, warenleere Supermarktregale, menschenleere Parks, autofreie Autobahnen, Aufkleber mit skurrilen Abstands- oder Nichtumarmungsgeboten, erratische und im Rückblick irrwitzig erscheinende Markierungen auf Gehwegen oder öffentlichem Mobiliar, Masken in unterschiedlichsten Ausführungen.

Ausgehend von diesen snapshothaften Wirklichkeitsverdichtungen entwickelte die Fotokünstlerin experimentelle Abstraktionen, vor allem mit der Camera obscura auf großformatigem Film-Material und mit Fotogrammen, aber auch in Form von Prints, die sie physikalisch oder chemisch verfremdete. Nowottny bezieht sich bei ihrer Arbeitsweise explizit auf das Konzept der Generativen Fotografie, einer Kunstrichtung, welche die Grenzen und Möglichkeiten der Fotografie, ihre Materialien und Apparate sowie die des Lichts erkundet und sich entlang einer „Erzeugungsästhetik“ (Gottfried Jäger) selbst systematisch zum Betrachtungsgegenstand macht. Wie Nowottny dieses Konzept in die Praxis übersetzt hat, zeigen die Bilder auf diesen Seiten.

Mangelwaren in der Camera obscura

So hat sie seinerzeit typische „Mangelwaren“ wie Reiskörner, Nudeln, Seife oder Toilettenpapier oder Mundbedeckungen in ihre Camera obscura „eingelegt“ und damit die Pandemienebenwirkungen in grafischer Abstraktion auf einem 4 x 5 Inch großen Planfilm visualisiert. Portraits der führenden Politiker jener Zeit gab sie als Inkjetprints aus, seifte die ausgedruckten Gesichter ein und reproduzierte sie erneut – ein augenzwinkernder Kommentar zu den damals allgegenwärtigen Händewaschanleitungen. Das Konterfei des damaligen US-Präsidenten und selbst ernannten Corona-Experten Donald Trump bearbeitete sie gar mit Chemikalien bis nahezu zur Unkenntlichkeit. Neben Beklemmendem blitzt immer wieder Bildwitz auf, Wirklichkeitsausschnitte, mit denen sie die Abstrusitäten des Umgangs mit dem Virus in Bilder fasst. Aber auch Hoffnungsschimmer, etwa …

 

 

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