Zu schön, um echt zu sein

Wir haben nachgefragt, was Branchenvertreter von der Initiative der Gleichstellungsminister zur Kennzeichnung retuschierter Fotos halten.

Das Mädchen mit dem Perlenohrghänge im Original und gefiltert

Die Initiative zur Kennzeichnung retuschierter Fotos in der Werbung und im World Wide Web wurde auf der 2022er-Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) in Hamburg gestartet. Dort heißt es: „Die GFMK bittet die Bundesregierung, rechtliche Regelungen für eine Kennzeichnungspflicht zu prüfen […] Ziel sollte es sein, unter Berücksichtigung der in diesem Bereich bestehenden Gesetzgebungszuständigkeiten auf Bundes- wie auch auf Länderebene zu einer einvernehmlichen und abgestimmten Lösung zu gelangen. Die Kennzeichnungspflicht soll für die Gesamtheit der kommerziell Tätigen sowie für Influencerinnen und Influencer mit einer nicht nur geringen Reichweite gelten, wenn eine Bildbearbeitung von Gesicht, Körper, Haut oder Haaren stattgefunden hat oder stattfindet und das Foto/Video in sozialen Netzwerken und/oder zu Werbezwecken zugänglich gemacht wird.“

Begründet wird der Beschluss unter anderem damit, dass „verschiedene Studien und Metaanalysen konstatieren, dass die häufige Nutzung von Social Media Frauen und Mädchen kritischer und unzufriedener mit ihrem eigenen Körper werden lässt, was in der Folge zu psychischen Krankheiten wie körperdysmorphen Störungen, depressiven Episoden und Essstörungen führen könne: „Bei Facebook und Instagram zeigt sich, dass für Frauen – und einige Männer – mit der massenhaften Nutzung das Selbstwertgefühl und die eigene Körperzufriedenheit zurückgehen. Weitere nachweisbare Phänomene sind die Verringerung der Lebenszufriedenheit, die Beförderung von depressiven Episoden sowie Essstörungen.“

Einen Anstoß geben

Wohlgemerkt: Die Initiative will zum jetzigen Zeitpunkt nur einen Anstoß geben. Bis daraus – sofern es überhaupt geschehen wird – ein Gesetz entsteht, dürfte selbst in so trockenen Sommern wie in diesem Jahr noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen. Worte wie „Bitte an die Bundesregierung“ und die Einordnung als Punkt 5.8 der bis Punkt 12.11 reichenden, insgesamt 117 Seiten starken Zusammenfassung der Beschlüsse und Entschließungen der GFMK-Konferenz deuten darauf hin, dass das Thema keine allzu hohe Priorität genießt.

Andere Länder sind bereits einen Schritt weiter: So wurde 2012 in Israel ein Gesetz verabschiedet, das zum einen vorschrieb, dass Mode- und Werbemodelle einen Body-Mass-Index von mindestens 18,5 haben müssen. Zum anderen wurde in der „Photo-shop-Gesetz“ genannten Bestimmung festgelegt, „dass computergenerierte Veränderungen, die Models dünner erscheinen lassen, zusammen mit den Bildern vermerkt werden müssen“.

In Frankreich müssen Fotografen seit dem 1. Oktober 2017 kennzeichnen, ob die Aufnahmen von Models so nachbearbeitet wurden, dass die Körperform verändert wurde – sprich: Wurden die Frauen per nachträglicher Bearbeitung schlanker, ihre Rundungen runder?

In diesem Jahr (2022) folgte Norwegen mit einem neuen Werbegesetz. Das besagt, „dass Influencer/-innen und Werbekonzerne ihre retuschierten Bilder kennzeichnen müssen“. Das neue Gesetz gegen den „kroppspress“, auf Deutsch Körperdruck, wurde vom Parlament Anfang Juni mit klarer Mehrheit beschlossen und trat im Sommer in Kraft. Wurden Bilder im Sinne des Gesetzes manipuliert, muss mit ihnen ein gut sichtbares Label angebracht werden, auf dem „Retusjert Person“ (deutsch: retuschierte Person) steht. Dieses Label muss mindestens sieben Prozent der Bildfläche ausmachen.

Stimmen aus der Branche

Obwohl ein Gesetz für Deutschland noch nicht absehbar ist, haben wir uns in der Branche nach aktuellen Meinungen umgehört und auch eine Juristin nach ihrer Meinung befragt. …

 


Lesen Sie den kompletten Beitrag in der aktuellen Ausgabe


 

TIPA Banner