Was dahinter steckt

Dem Agenturfotograf Christoph Soeder gelingen kontextuell raffiniert komponierte Menschenbilder mit psychologischer Tiefe.

Foto von Christoph Soeder

Ereignisse, sekundenschnell verdichtet auf einen Moment. Ausschnitte, die das Besondere eines Geschehens illustrieren. Visuelle Vielschichtigkeiten, die Zusammenhänge verdeutlichen: Ein gutes Nachrichtenbild verlangt viel. Damit es sich durchsetzt im harten Wettbewerb der Bilder, damit es am Ende vielleicht sogar auf der Titelseite oder als Aufmacher erscheint, braucht es noch etwas: bildkompositorische Spannung. Christoph Soeder, der als Freier unter anderem für AP und zuvorderst als fester Freier für dpa arbeitet, gelingen solche Bilder immer wieder. 2019 wurden zwei davon zu „dpa-Bildern des Jahres“, 2020 besetzte er den 2. Platz in der Kategorie Arts & Entertainment und den 3. Platz in der Kategorie Story. Und mit einem besonders dichten Bild aus dem Politikbetrieb schaffte er es im September letzten Jahres zum doppelseitigen Aufmacher im Stern Magazin. Zu sehen ist Robert Habeck, der Annalena Baerbock auf der Bühne der Wahlparty der Grünen von der Seite aus applaudiert. Die Spitzenkandidatin vor dem grüngelben Sonnenblumen-Parteilogo strahlt an der Kamera vorbei in die Ferne, eingerahmt von zwei unscharfen schwarzen Zuschauerhänden. Ein typisches Soeder-Bild.

Der Deutsch-Franzose, Jahrgang 1989, versteht es, zu kontextualisieren, Ereignissen situativ den entscheidenden Spin zu geben – wenn es darauf ankommt eben auch in Sekundenbruchteilen. So bei den Paralympischen Winterspielen in China, bei denen er für die dpa vor Ort war. Eindrucksvoll: das Bild eines Slalomläufers, der durch ein Tor fährt, aufgenommen im Gegenlicht auf einer Bergkuppe. Der Skifahrer (ein schwarzer Schatten nur) liegt breitarmig in einer Rechtskurve, Schnee spritzt hoch, sein Handicap vor der kreisrunden Sonne: das rechte Bein fehlt. Eine unfassbare sportlerische Leistung, in Millisekunden gekonnt auf den Punkt gebracht.

Unter die Oberfläche

Doch das ist nur das eine Gesicht des Berliner Fotografen. In seinen freien Projekten arbeitet er wesentlich entschleunigter, serieller – und damit narrativer. „Forgetting Forgetfulness“ heißt eine dieser Bilderserien, die 2017 entstand. Sie zeigt demente Menschen, die ihre Krankheit momentweise vergessen, nämlich in den Augenblicken, wo sie – gemeinsam mit Musik-Therapeuten – singen. Soeder hat diese Momente des Erinnerns und damit des Glücks auf anrührende Weise eingefangen, indem er die Demenzkranken und im Hintergrund in einem Spiegel die Therapeuten im visuellen wie akustischen Gleichklang zeigt.

Thematisch verwandt, aber konzeptuell ganz anders, auf innovative Weise umgesetzt: „Frame of Mind“. In einer Art inszenierter Reportage porträtiert der Fotograf in dieser Serie Menschen mit verschiedenen mentalen und psychischen Krankheitsbildern und nutzt dazu – quasi als Metapher und Darstellungswerkzeug in einem – einen halbdurchlässigen Spiegel. So ist der Mensch zu sehen und gleichzeitig, das, was ihn beschäftigt. Die symbolträchtigen Bilder hat er gemeinsam mit den Portraitierten entwickelt, manche über viele Tage. Unglaublich lohnenswert und erfahrungstief sei die Arbeit gewesen, sagt Soeder, der zu einigen der Patienten weit über das Projekt hinaus Kontakt hielt.

In seinem jüngsten, während des Lockdowns entstandenen Projekt „Behind Windows“ schaut er gemeinsam mit seinem Fotografen-Kollegen Christophe Gateau mit einer Drohne …

 


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