Vom Schweißer zum Kameramann

Zwei Hamburger Fotografen gehen neue Wege bei der Erstellung von Videos für die werbliche Produktvisualisierung. Michael Marczok hat zugeschaut, wie ein umgeschulter Industrieroboter im Studio von Daniel Reinhold und Hendrik Nennecke als Kameramann arbeitet.

Lube Eins Motion Control

Das Studio liegt in einem Gewerbegebiet im Osten von Hamburg: Industrie-Charme mit Backsteinmauern, sichtbare Deckenträger, ein Küchenblock aus gegossenem Beton. Begrüßt werde ich von Hendrik Nennecke. Angefangen hatte er als Journalist bei Gruner & Jahr und wendete sich dann schnell der Fotografie zu. Vom Fotojournalismus bis zur Werbefotografie war der erste Schritt, der zweite zum Video folgte.

Seit vielen Jahren arbeitet er zweigleisig als Fotograf für internationale Kunden und als Regisseur ebenfalls für große Kunden in der Werbung. Daniel Reinhold hat als Assistent bei Hendrik Nennecke angefangen, dann schnell eigene Projekte fotografiert und sich verstärkt dem Thema Video zugewandt. Als Team bieten sie die Visualisierung von Produkten an. Dabei stießen sie bald an Grenzen, die ihre Kreativität besonders bei der Bewegung der Kamera einschränkten: Kamerafahrten für Werbevideos mit Slidern sind sehr linear, und die Geschwindigkeit ist nicht exakt wiederholbar.

„Fahrten“ aus der freien Hand sind in diesem Bereich unüblich. Daniel, nach eigenem Bekunden „der Frickler“ in der Partnerschaft, begann sich nach Alternativen zu Schienen, Slidern & Co. umzuschauen. Aufmerksam wurde er bei Mediendienstleistern, die industrielle Roboterarme nutzen. Das war spannend, die Steuerungstechnik war allerdings eher unzureichend.

Vom Online-Marktplatz zum Roboter

Wie kommt man an solche Roboter? Natürlich könnte man sie einfach bei den Herstellern in Deutschland oder der Schweiz ordern – die Preise sind allerdings exorbitant. Also wurde es ein Gebrauchter. Auf dem Online-Marktplatz eBay kann man tatsächlich solche gebrauchten Industrieroboterarme finden – allerdings entpuppte es sich zunächst als schwierig, die passende Lösung zu finden. Entweder war der Typ des Roboters falsch, der Preis zu hoch oder die Geräte heruntergekommen.

Daniel Reinhold und Hendrik Nennecke

Daniel Reinhold (l.) und Hendrik Nennecke haben jahrelange Erfahrung in den Bereichen Fotografie und Videofilm. Aktuell arbeiten sie viel mit ihrem dritten Partner, dem Industrieroboter Lube.

Über die Plattform ergab sich schließlich ein Kontakt zu einem „Roboter-Trainer“. Dieser vertreibt die Industriemaschinen – hauptsächlich für die Automobilbranche. Und er „trainiert“ sie vor Ort, d. h. er programmiert ihnen die gewünschten Bewegungsabläufe, zum Beispiel für das Schweißen oder das Lackieren, ein.

Für das Vorhaben der beiden Hamburger hatte er den passenden gebrauchten Roboterarm herumstehen: Die Farbe war knallig orange, die Schweißspuren und die üblichen Kunden des Herstellers ließen den Schluss zu, dass der Roboter in seinem früheren Leben wohl bei Porsche geschweißt hatte. Als der Roboter im Studio in Hamburg ankam, sollte erst einmal ein Name her: „Lube“ ist die Kurzform des englischen Wortes für „einölen“ oder „gleitend machen“ – und es sind auch die jeweils ersten beiden Buchstaben der Söhne der beiden Fotografen Luke und Benedikt.

Den Roboter kontrollieren

Ein Industrieroboter ist logischerweise kein Stativ oder ein Gimbal. Und er „weiß“ nichts über Fotografie und Video. Für den Tüftler Daniel Reinhold bedeutete das viel Anpassungs- und Einarbeitungsarbeit. Der erste Schritt war die neue Lackierung. Alle Spuren der früheren Tätigkeit wurden entfernt und der Roboterarm schwarz lackiert. Einerseits sieht das cooler in einem Fotostudio aus, andererseits hat es einen konkreten praktischen Nutzen. Da Reinhold & Nennecke es häufig mit glänzenden oder spiegelnden Oberflächen im Nahbereich zu tun haben, darf sich darin nichts Störendes reflektieren.

Neue Zahnriemen wurden eingebaut, um weichere Kamerafahrten hinzubekommen. Auch die Aufnahme für die Kameras oder Lampen musste neu konstruiert werden. Eine wichtige Ergänzung war die Integration einer synchronisierten Schnittstelle für die Steuerung zusätzlicher Peripherie. Dazu zählt z. B. der Fokus der Kamera oder ein Magnetschalter für Objekte, die zu genau definierten Zeitpunkten fallen oder sich bewegen sollen. Die Möglichkeiten für diese sogenannten Ereignisse sind unbegrenzt.

Programmiert werden sie mit einer speziellen Software über den Computer. Schließlich wurde die 600 Kilogramm schwere Maschine auf ein Stahluntergestell montiert, um eine gewisse Mobilität zu gewährleisten. Die Modifikationen und im Laufe der Zeit viele weitere auch, hat sich Daniel Stück für Stück selbst erarbeitet. Denn klar ist, dass es für diesen Fall keine YouTube-Tutorials oder Handbücher gibt.

Der erste Dreh

Bis zu diesem Zeitpunkt war noch kein Video gedreht. Denn auch die Steuerung mussten die beiden ihrem „Lube“ erst beibringen. Grundsätzlich wird der Roboterarm über das sogenannte „Teach Pendant“ gesteuert und programmiert. Dieses Industriegerät zur Maschinensteuerung mit einem Folienkeyboard hat keine schicke grafische Benutzeroberfläche. Lube versteht die weit verbreitete Maschinensprache G-Code. Er kann mit allen Steuerungsgeräten oder Softwares verbunden werden, die diese Sprache sprechen. Und es gibt viele davon. So etwa ein Eingabegerät, ähnlich einem Stift, mit dem man im Raum die Bewegungen vorgeben kann, …


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