Verkippte Schärfe

Um extreme Schärfeverläufe im Bild zu erzielen, kann man die Schärfezone mithilfe von Tilt-Objektiven kontrolliert verlagern. Für viele Anwendungen kommt man so einfacher und schneller zum Ziel als über die Schärfesteuerung via Blendenöffnung. Von Tilo Gockel

digit 6 2019 Techtalk Schärfe

Wenn eine große Schärfentiefe gefordert ist, denkt man als Foto- graf sofort ans Abblenden oder an Focus Stacking. Für eine geringe Schärfentiefe greift man zu lichtstarken Objektiven und zu Kameras mit Vollformat- oder Mittelformatsensor. Tatsächlich kann man aber beide Schärfeextreme auch einfacher erfüllen – schlicht durch das gezielte Verkippen des Objektivs.

Geschichte und Theorie

Die hier beschriebene Technik basiert auf den Arbeiten des österreichischen Geodäten Theodor Scheimpflug (1865-1911). Scheimpflug fotografierte Landschaften vom Ballon aus und erhielt so Schrägansichten, die im Anschluss entzerrt werden mussten. Hierzu konstruierte er ein spezielles Vergrößerungsgerät, den „Grundbildrichter zur Entzerrung von Luftbildern“, der auf dem Prinzip der Schärfeverlagerung durch Verkippung der Objektivebene basiert. Das Patent dazu von 1904 kann man hier einsehen.

„Die Theorie von Scheimpflug lautet kurzgefasst wie folgt:Wenn bei der fotografischen Abbildung die Objektivebene und die Bildebene nicht parallel liegen, sondern verkippt sind, schneiden sich Objektivebene, Bildebene und Objektebene in einer gemeinsamen Geraden. Die ansonsten annähernd kubusförmige Schärfezone wird zu einem Keil, dessen Breite durch die Blende bestimmt wird.“

Man kann somit bei passenden Motiven allein durch eine Verkippung des Objektivs die Schärfentiefe erhöhen oder auch verringern, spart sich beim Abblenden einige Blendenstufen und erhält so kürzere Belichtungszeiten sowie eine bessere Überallesschärfe. Technisch interessierte Leser finden die Herleitung zur Geometrie sowie zwei Geogebra-Skripte für dünne und dicke Linsen hier, hier und hier.

Scheimpflügen in der Praxis

Die Scheimpflugsche Regel ist schnell erklärt, aber die mechanische Umsetzung der Verstellmöglichkeiten ist in der Praxis nicht einfach. Wer in allen Freiheitsgraden flexibel sein möchte, der setzt auf eine Fachkamera, aufgebaut aus einer Bildstandarte, einer Objektivstand- arte und einem Balgen dazwischen, montiert auf einer optischen Bank (siehe Fotos Linhof). Wenn man sich die Bilder der Technikardan anschaut, ahnt man bereits, dass die Einstellung der vielen Knöpfe und Hebel …

 


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