Menschenbilder, aus der Zeit gefallen
Novizen, Pfadfinder, Chorknaben, weltvergessen und in sich gekehrt: Monika Czosnowskas introspektive Portraits faszinieren durch ihre klassische Anmutung – und wirken wie ein Gegengift zum augenbetäubenden Selbstoptimierungs-Gestus der Selfie-Ära. Von Peter Schuffelen
„Menschen zu fotografieren, die ich gut kenne, fällt mir schwer.“ Monika Czosnowska macht dieses Bekenntnis gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Sie fotografiere Menschen, weil sie sich eben mehr für Menschen als für Tiere oder Dinge interessiere, äußert die Berliner Fotografin lakonisch. Allerdings weniger für den Menschen als Individuum, sondern vielmehr für bestimmte Gesichter, genauer gesagt: für gewisse Physiognomien. Gestern erst habe sie mit ihrer Tochter im Planetarium gestanden und sich spontan in ein Gesicht verliebt. Sie habe sich einen Ruck gegeben und die Eltern des Jungen sofort angesprochen und gefragt, ob sie ihn porträtieren dürfe.
„Die Bilder bieten dem Auge keinen Anhaltspunkt, mit dem sich der
Aufnahmezeitpunkt bestimmen ließe.“
Portraits ohne konzeptuelle Klammer, orientiert allein am Interesse für das besondere Gesicht: Das war während des Studiums an der Essener Folkwang Universität ihre Leidenschaft, und das interessiert die Fotografin bis heute. Doch Einzelportraits machen den kleineren Teil ihres Werks aus. Czosnowska ist vor allem bekannt für ihre Portrait-Serien. Das Sujet: überwiegend junge Menschen, die außergewöhnlichen sozialen Gruppen angehören. Den Grundstein dazu legte sie 2004 mit ihrer Diplomarbeit, einer Serie über Novizen. Die Porträtierten schauen, konzentriert und ganz bei sich, an der Kamera vorbei. Die Bilder bieten dem Auge keinen Anhaltspunkt, mit dem sich der Aufnahmezeitpunkt bestimmen ließe. Die Ordens-Kleidung, der uniforme Hintergrund, das weiche, gleichmäßige Licht (Czosnowska arbeitet ausschließlich mit dem vorhandenen Licht) und die zurückhaltende gelbliche Farbgebung (ein Ergebnis des Arbeitens mit analogem Filmmaterial und der Ausarbeitung auf Fotopapier), alles das signalisiert Zeitlosigkeit. Die Bilder könnten vor 50 Jahren entstanden sein oder gestern. Sie sind, im besten Sinne des Wortes: zeitlos.
Anachronismus als Matrix des Grundsätzlichen
Das Zeitlose, das Unaufgeregte, das Ernsthafte, die Introspektive: All das findet sich auch in den späteren Portrait-Serien Czosnowskas wieder. Czosnowska hat sich nach „Novizen“ mit weiteren besonderen sozialen Gruppen beschäftigt, unter anderem mit Chorknaben, Pfadfindern und Schülern einer Elitesportschule.
„Es war ein Kampf“, erinnert sich die Fotografin. „Natürlich kamen die Schüler mit Kapuzenpullis und Markenklamotten an; Dinge, die meine Art der Portraitfotografie …
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