Im Inneren des Würfels

Mike Meyer reist mit seinem mobilen „White cube“-Studio um die Welt und sucht, was alle Menschen eint.

Der Würfel schafft dabei den gemeinsamen fotografischen Nenner. Am Ende dieser zehnjährigen Foto-Odyssee will er die eingesammelten Portraits „verorten“ – in einer groß angelegten multimedialen Erzählung.

Mike Meyer steht an Deck der Florette und kämpft mit der Dünung. Der 40 Meter lange Zweimaster, Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut zum Transport von Carrara-Marmor, segelt rund um die Vulkaninsel Stromboli nördlich von Sizilien und schwoit ausladend nach Back- und wieder nach Steuerbord. Wer schnell seekrank wird, sollte jetzt einen Fixpunkt am Horizont anvisieren. Meyer aber steht in einem weißen, neun Quadratmeter messenden Kunststoff-Würfel, der mittschiffs auf dem Deckshaus aufgebaut ist, schaut in den Sucher seiner Fujifilm GFX 100S und auf den Matrosen, den er porträtieren will. Zwei Wochen lang sind er und sein Team mit der Mannschaft durchs Mittelmeer gesegelt, auf einer Route, die angelehnt ist an die Odyssee, die sagenumwobene Reise Homers. Zwei Wochen, in denen er die Mitglieder des Weltmusikquartetts Quadro Nuevo, von denen die Idee stammte, ebenso porträtiert hat wie Kapitän und Besatzung – immer die schwankenden Planken unter den Füßen.

Die Odyssee in den Gewässern rund um Stromboli ist die jüngste Aktion – und der Schoner einer der spektakulärsten Shooting-Standorte des „Cometogethernow“-Projekts. Der 36-Jährige, der mit seinem Würfel seit drei Jahren um die Welt tourt, hat schon an vielen außergewöhnlichen Orten Station gemacht, darunter in einer in 4.000 Meter Höhe gelegenen Teeplantage in Georgien, in der Wüste Marokkos, bei der Fashion Week auf dem stillgelegten Berliner Flughafen Tempelhof oder auf dem Times Square in Manhattan.

Dreh- und Angelpunkt des „White cube art project“ ist ebendieser weiße Würfel. Sein Dach und seine halbtransparenten Seitenwände werfen ein weiches Licht ins Innere, eine Seite ist offen und lädt zum Hineingehen ein. Das mobile Portraitstudio misst 3 x 3 Meter, wiegt 640 kg, und es braucht vier Menschen für seinen Aufbau. Die Transportkosten belaufen sich im Schnitt auf 10.000 Euro, hinzu kommen die Kosten für Anreise und Unterbringung des Teams und die oft nervenaufreibenden Shooting-Genehmigungen. Ein beträchtlicher Aufwand, logistisch, zeitlich und finanziell. Der Symbol- und Aufmerksamkeitswert, den der große weiße Würfel vor Ort erzeugt, ist zweifellos groß, und dennoch: Ist es das wert?

Der menschlichen Seele  auf der Spur

„Definitiv“, sagt Meyer. „Der Würfel ist ein Fremdkörper in der Landschaft, er zieht die Menschen an und – hinein. Zugleich zieht er sie heraus aus ihrem Alltag. Er schafft eine intime Atmosphäre und damit erst die Voraussetzung für intensive Portraits.“ Eine weiße Wand als Hintergrund wäre eben nicht dasselbe, und noch etwas komme hinzu, etwas für das Projekt Essenzielles, sagt Meyer: „Der Würfel bringt alle Menschen auf einen gleichen Nenner, das gilt für Promis wie für die Menschen von nebenan, ganz unabhängig vom Alter, …

 


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