Die Plastikkrise

Lars Klingenberg macht mit einem skulpturalen Fotokunstprojekt auf die Problematik des hohen Plastiktütenverbrauchs und löchrige neue Gesetz aufmerksam.

Rote Hemdchenbeutel

Von Peter Schuffelen

„Seit dem 1. Januar 2022 ist es in Deutschland verboten, klassische Plastiktüten in den Verkehr zu bringen. Ausgenommen von dem Verbot sind allerdings besonders leichte Kunststofftragetaschen, die Verbraucher vorwiegend für den Transport von Obst und Gemüse oder von Essen aus Schnellrestaurants verwenden. Allein in Deutschland werden pro Jahr drei Milliarden dieser auch als „Hemdchenbeutel“ bezeichneten Tüten verbraucht. 2014 habe ich angefangen, diese Tüten von der Straße oder in Parks aufzulesen und zu sammeln. Das Ziel ist es, mit diesen Fundstücken eine raumfüllende Installation zu kreieren.

Dann kam das besagte Gesetz, und ich habe mich entschlossen, die Tüten vorab für eine 300 Tage dauernde Instagram-Installation unter dem Titel „Drei Milliarden“ zu nutzen, um auf die beschriebene Problematik aufmerksam zu machen. Schnell wurde mir klar, dass ich die wenig ansehnlichen und zum Teil verdreckten Wegwerfartikel in eine ästhetisierende Form bringen musste, um den gewünschten Hinguck- und Verweileffekt zu erreichen. Dazu habe ich die Tüten nach Farben sortiert und solche mit und ohne Aufdruck voneinander getrennt. Dann habe ich ihnen in meinem Atelier durch Drapieren unterschiedliche Formen gegeben. Fotografiert habe ich diese Aberdutzenden Abwandlungen vor einer weißen Papierwand mit einer schon etwas betagten, spiegellosen APS-C-Kamera und einem 300-Watt-Studioblitz, mit dem ich die Decke anblitzte

Zeigen, was ist: die visuell-faktische Ebene

Das war’s im Prinzip – schließlich ging und geht es mir nicht um eine fotografisch möglichst perfekte Abbildung, sondern um die Wiedergabe von Wirklichkeit, ganz im Sinne der „veristischen“ Arbeits- und Denkweise der Neuen Sachlichkeit (oder wie ich sie für meine Art der antikapitalistischen Herangehensweise nenne, „Sozialen Sachlichkeit“. Sind meine Tütenarrangements „Ready-mades“ im Sinne Marcel Duchamps? Einerseits eindeutig, denn es handelt sich nun einmal um profane Gegenstände, die zur Kunst erhoben werden. Andererseits gebe ich ihnen – zumindest temporär, also für die fotografische Aufnahme – eine Form, es sind also, wenn man so will, flüchtige Skulpturen. Dieses skulpturale Arbeitsprinzip reiht sich ein in meine anderen Projekte, in denen ich beispielsweise alte, auf der Straße gefundene Matratzen in Szene gesetzt habe oder meine Bilderserie „Schlafquartier“, in der ich verhüllte und schlafende obdachlose Menschen in deutschen Großstädten in einer ebenfalls skulptural anmutenden Weise zeige.

Bild trifft Text: die Zitatensammlung

Komplett wird das Konzept von „Drei Milliarden“ aber erst durch die Begleittexte: Jeder Bildergruppe habe ich thematisch geordnete Zitate aus Medien gegenübergestellt, die auf die verheerenden Folgen der Plastikkrise verweisen: Säuglinge nehmen Millionen winzigste Plastikteilchen zu sich, Erwachsene in einer Woche das …“

 


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