Die Nordsee-Probe
Dass der Seenotkreuzer „Pidder Lüng“ kaum merklich an der Mole in der Sonne wippt, ist für alle eine gute Nachricht. Akut…
Dass der Seenotkreuzer „Pidder Lüng“ kaum merklich an der Mole in der Sonne wippt, ist für alle eine gute Nachricht. Akut funkt somit niemand SOS, außerdem müssen Kamera und Chronist nicht direkt mit dem Blanken Hans auf Tuchfühlung gehen. Der 20-m-Kreuzer liegt derart ruhig im Hafen von List, dass man zum Start den Modus für mehr Pixel ausprobieren kann. Die E-M1X bietet die Möglichkeit, mehrere RAWs zusammenzubasteln, um die Auflösung so von 20 Millionen Pixeln auf 50 Millionen Bildpunkte zu steigern, bei Aufnahmen vom Stativ sind sogar 80 Megapixel drin. Schießt man freihändig, fügen die zwei Prozessoren acht Aufnahmen zusammen, die sich durch das Verschieben des Sensors ergeben. Das Verfahren flutscht wie Butterscholle – die „Pidder Lüng“ zeigt sich in noch mehr Details. Frischt es an der Küste auf, klappt das freilich nicht mehr, denn sobald zu viel Bewegung ins Bild rückt, schwinden die Chancen für das digitale Mosaik.
War das noch eine lockere Fingerübung beim Warten aufs „Leinen los!“, wirds ein ganz anderer Schnack, sobald die gut 1.600 Pferdestärken der „Pidder Lüng“ auf Touren kommen. Jede Fahrt, jeder Rettungseinsatz beginnt damit, dass der Maschinist unter Deck abtaucht. Maschine checken, starten. Beleuchtung? Mäßig, selbst wenn man rund ums Aggregat noch eine LED-Leuchte platziert. Einsatz für das M.Zuiko 1,2/17 mm, natürlich bei komplett geöffneter Blende. Wer gewöhnlich mit Vollformat-Sensoren unterwegs ist, wird beim Micro-Four-Thirds-Chip seltener abblenden, da sonst das Freistellen schwerfällt. Selbst bei Offenblende f/1,2 setzt das MFT-Format dem Bokeh-Charme Grenzen.
Bei einer Kamera, die so viel kostet wie eine Nikon Z7 oder zwei Canon EOS RP kommt man nicht umhin, etwas penibler auf professionelle Bedürfnisse zu schauen. Die 17er-Festbrennweite ist über jeden Zweifel erhaben. Wer bei Olympus in Glas investiert, greift durchweg zu feiner Optikware mit kompaktem Design. Beeindruckend – sagt der Vollformat-Fotograf und Bokeh-Freak. Den Job im Maschinenraum meistert die OM-D E-M1X problemlos. Die Lichtstärke und ein Bildstabilisator, der zu den effizientesten Anti-Wacklern auf dem Markt gehören dürfte, halten die erforderlichen ISO-Werte klein, selbst wenn man keinen festen Boden unter den Füßen hat.
Gut für den eher kleinen Chip, der ISO 1.600 ohne merkliches Rauschen verpackt. Selbst ISO 6.400 geht in Ordnung, wenn man bei der RAW-Entwicklung feinfühlig an den Reglern dreht. Dass das Datenblatt ISO 25.600 als Maximum ausweist, sollte ein Rettungsanker in der Not bleiben.
Bei Sonnenschein fühlt sich der Sensor deutlich wohler, dabei ist das MFT-Flaggschiff das Gegenteil einer Schönwetter-Kamera. Den Body und passende Objektive kann man problemlos im Regen stehen lassen, Olympus attestiert seiner Hardware die Schutzklasse IPX1 („senkrecht herabfallende Wassertropfen“). In hauseigenen Tests sind die Japaner deutlich weiter gegangen: Videos zeigen, wie sie die E-M1X mit einer Art Rasensprenger malträtieren. Das ist gut gegangen – bloß eine Garantie möchte dafür niemand übernehmen. Trotzdem soll die Kamera für unseren Test der Nordsee mehr als nah kommen: Die „Pidder Lüng“ lässt ihr Arbeitsboot „Michel“ zu Wasser, der Fotograf bekommt den gleichen Überlebensanzug wie die Profis der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), nur die Olympus bleibt nackt. Im Tochterboot bewegt man sich nah an der Wasseroberfläche, bei über 50 km/h braucht es keine steife Brise, damit es ordentlich spritzt. Ein wenig mulmig wird…
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