Der Blick von außen

Die Bildredakteurin und Art-Buyerin Anja Kneller über „Dos & Don´ts“ bei der Portfoliopräsentation und ihre Mappenberatung für Fotografen.

Anja Kneller bei einer öffentlichen Portfoliosichtung

Frau Kneller, wie viele Mappen sichten Sie als freie Fotoredakteurin?

Anja Kneller: Mindestens drei oder vier pro Woche, manchmal auch eine Mappe täglich.

Kamen Sie über diese Arbeit auf die Idee, eine Mappenberatung anzubieten?

AK: Ja. Ich habe festgestellt, dass gerade Fotografinnen und Fotografen, die frisch von der Hochschule kommen, kaum Informationen darüber haben, wie die Auftraggeber, also Art-Buyer oder Fotoredakteure, ticken. Hier setze ich an und sage: Das brauchen wir von euch. Eure Mappe bzw. Website sollte so und so aussehen. So habt ihr eine Chance, dass sich die Tür für euch auftut.

Wie läuft so eine Beratung ab?

AK: Ein Fotograf oder eine Fotografin ruft an, wir treffen uns zu einem Vorgespräch, in dem wir eruieren, wo die jeweiligen Stärken liegen und ob er bzw. sie sich dieser bewusst ist. Im nächsten Schritt geht es dann darum, eben diese Stärken, die eigene Handschrift also, zu fokussieren und dafür zu sorgen, dass sie nach außen hin sichtbar wird.

Weiß nicht jeder am Ende des Tages selber, wo die eigenen Stärken liegen?

AK: Intuitiv vielleicht schon, was aber oft fehlt, ist die konsequente Umsetzung. Das Editing des eigenen Portfolios, also das Herausdestillieren der besten Bilder und das Herausarbeiten der eigenen Handschrift, fällt vielen schwer. Das liegt vor allem an der fehlenden Distanz zu den eigenen Arbeiten. Oft braucht es den Blick von außen.

Was sind die häufigsten Fehler?

AK: Was ich vielfach feststelle, ist, dass der rote Faden fehlt und dass bestimmte Bilder den Blick auf das Eigentliche verstellen. Ich frage dann konkret: Warum hast du dieses Bild mit in das Portfolio aufgenommen? Oft sagt mir der Fotograf oder die Fotografin dann: Bei dem Bild war ich mir ohnehin unsicher. Im Idealfall bestätige ich also die Selbsteinschätzung.

Noch einmal zum roten Faden: Was raten Sie Klienten, die mehrere Handschriften auf hohem Niveau beherrschen, also zum Beispiel einen natürlichen Available-Light-Stil und einen hochartifiziellen Look, und diese auch zeigen?

AK: Wenn es keine nachvollziehbare Linie gibt, ist das wirklich schwierig. Ich spreche dann ganz offen und sage: Das ist mir ein zu großes Durcheinander, als Fotoredakteurin oder Art-Buyerin könnte ich dich nicht buchen.
Auch in Sachen Genres sollte man sich nicht zu breit aufstellen. Wer ein bisschen Fashion macht und ein bisschen Food – das funktioniert in aller Regel nicht. Hinzu kommt: Bildverwerter neigen dazu, Fotografen schnell in eine Schublade zu stecken und diese in dem Moment aufzumachen, wenn sie diesen oder jenen Stil brauchen.

Ihre Empfehlung lautet im Umkehrschluss also: „Verschublade“ dich selbst?

AK: Überspitzt könnte man das so formulieren, ja, auch wenn der Begriff Schublade ja eher negative Assoziationen weckt. „Fokussier dich“ trifft es vielleicht besser. Fotografiere im Zweifel eine neue Strecke, in dem Stil, der dich ausmacht, und vervollständige damit deine Mappe.

In einem Satz: Wie sieht die ideale Mappe aus?

AK: Die ideale Mappe ist gut strukturiert, souverän und macht den Stil eines Fotografen sichtbar. Im Zweifel gibt es die eine ideale Mappe gar nicht. Mappen – und das ist ein wirklich wichtiger Punkt – sollten immer auf denjenigen Kunden zugeschnitten sein, den ich besuche. Fotoredakteure und Artbuyer erkennen sofort, ob …

 


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