„Denke vorher und nachher“

digit! sprach mit Alfredo Oliva Delgado unter anderem über das produktive Wechselspiel von Intuition und Intellekt.

Foto von Alfredo Oliva Delgado

Herr Oliva, als Professor für evolutionäre Psychologie beschäftigen Sie sich unter anderem mit der Beziehung zwischen Fotografie und Psychologie. Als Streetphotographer schaffen Sie Bildwelten zwischen semantischem Witz und visueller Poesie. Was bedeutet Fotografie für Sie?

Alfredo Oliva Delgado: Es ist ein Hobby, zu dem ich, da ich seit Kurzem emeritiert bin, zum Glück noch mehr Zeit habe. Ich war schon immer ein sehr visueller Mensch, seit ich 15 bin, interessiere ich mich fürs Kino, für Malerei und die Fotografie. Und wie den meisten Menschen, macht es mir einfach großen Spaß, etwas zu erschaffen.

Sie haben sich intensiv mit visuellen Wirkmechanismen und semantischen Spannungsbögen auseinandergesetzt. Gehen Sie angesichts dieses prallen Werkzeugkastens planvoll ans Fotografieren heran?

AOD: Nein, als Fotograf bin ich sehr intuitiv unterwegs. Das heißt nicht, dass ich vor einer Reise oder einem fotografischen Streifzug keine Idee habe, aber ich lasse mich beim Fotografieren selbst dann eher treiben. Es ist im Übrigen immer ein Wechselspiel von Intuition und Intellekt, beides hat seinen Platz und Zeitpunkt.

Das müssen Sie bitte erläutern.

AOD: Intuition und Kognition wechseln sich im kreativen Prozess ab. Der britische Sozial-Psychologe Graham Wallas hat dazu bereits in den 1920er-Jahren ein interessantes Modell vorgestellt. Er benennt vier Phasen:
„Vorbereitung“,
„Inkubation“,
„Erleuchtung“
sowie „Überprüfung“.

In welcher Phase dominiert die Intuition, wo der Verstand?

AOD: Die Vorbereitungsphase ist wesentlich von linearem Denken geprägt. Mit Blick auf die Fotografie gehört dazu z. B. die Entwicklung eines Ziels bzw. Konzepts, aber auch das Erlernen des Handwerks wie auch einer visuellen Sprache – also z. B. die Kompositionslehre oder ein Wissen um das Zusammenspiel von Farben.

In der Inkubationsphase ruht die intellektuelle Arbeit. Hier geht es darum, dem Gehirn Zeit zu geben, um all unsere Erinnerungen, alles das, was wir gelernt, gelesen, gesehen, erlebt haben, zu integrieren. Das passiert bei Aktivitäten, in denen der Verstand kein unmittelbares Ziel verfolgt: beim Duschen, Musik hören oder Musizieren zum Beispiel – …

 

 

 


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