Bühne frei für die Wirklichkeit

Peter Schuffelen sprach mit Rafael Heygster, der Realitätsausschnitte wie ein Theaterregisseur beleuchtet.

Krieg als Spiel und Geschäft, Pandemie-Abstrusitäten, die Verfassung der Deutschen im Wahlkampfjahr: 22 Mal hat es Rafael Heygster erwischt während seiner Recherchen im Airsoft-Millieu – trotz der Signalweste, die den Fotografen als „Non-target-Person“ auswies. 22 versehentliche Treffer.

„I died 22 times“, so hat er sein Fotoessay über das kriegerische Geländespiel überschrieben, bei dem täuschend echt wirkende Schusswaffen-Replikate zum Einsatz kommen. Die Kugeln bestehen aus gepresster Stärke. Sie verursachen blaue Flecken, keine tödlichen Wunden.

Alles bloß ein Spiel also – allerdings eines, bei dem auf Menschen geschossen wird. „Ich bin auf das Thema gestoßen, weil ich während einer Studienfahrt nach Auschwitz Len kennengelernt hatte, dessen Urgroßmutter im ehemaligen Konzentrationslager umgebracht worden war“, sagt Heygster. „Jahre später habe ich dann Bilder von ihm in Militäruniform gesehen, auf denen er mit Waffen posiert. Ich wollte wissen: Wie bitte passt das zusammen?“

Heygster kontaktierte Len und begann, das Phänomen Airsoft dies- und jenseits des Kampffelds zu dokumentieren, erst in Deutschland, dann auch in Polen. Er wollte ein differenziertes Bild jener Szene zeichnen, in der es neben rechten Waffennarren auch viele „Normalos“ gibt – aus allen gesellschaftlichen Schichten.

Seine Reportage habe viele Missverständnisse produziert, sagt Heygster. Deshalb habe er sich entschlossen „I died 22 times“ um ein zweites Kapitel zu erweitern. Eines, in dem es um den Krieg als Geschäft geht. Ab 2018 besuchte er dazu Rüstungsmessen, u. a. in Abu Dhabi und Tschechien, und produzierte unwirkliche Bilder einer Parallelwelt, in der Waffen nichts sind als Produkte. Produkte, die beworben, ausgestellt, ausprobiert werden wie jedes andere Produkt auf anderen Messen auch.

Inszenatorische Bildsprache als Türöffner

Krieg als Spiel, Krieg als Geschäft: Das Sujet ist abstrus genug. Doch Heygster versteht es, …

 


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