Apocalypse Soon

Das Fotografenteam Miguel Hahn und Jan-Christoph Hartung über seine Dokumentarfotoserie „2 minutes 2 midnight“, die Krisen- und Katastrophenvorsorge im privaten und öffentlichen Bereich beleuchtet. Von Peter Schuffelen

Foto aus der Serie „2 minutes 2 midnight“

„2 minutes 2 midnight“ ist nicht unser erstes gemeinsames Projekt. Vielmehr arbeiten wir schon seit unserem Fotografiestudium zusammen, weil wir festgestellt haben, dass die Zusammenarbeit eine Menge konzeptioneller wie arbeitstechnischer Synergieeffekte bringt. Aber dieses Projekt ist eines der extensivsten. Auf die Idee kamen wir ursprünglich durch eine Veröffentlichung des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dort wird empfohlen, dass jeder Bundesbürger einen Vorrat für zehn Tage anlegen soll, um auf mögliche Krisen vorbereitet zu sein. Als sich dann in den letzten Jahren der Riss in der Gesellschaft weiter verstärkte und die Ängste angesichts von „Flüchtlingskrise“ und Phänomenen wie der Reichsbürgerbewegung oder dem Erstarken populistischer Parteien immer sichtbarer wurden, haben wir uns entschieden, das Projekt umzusetzen.

Ursprünglich wollten wir uns allein auf Prepper konzentrieren, Menschen also, die sich durch das Horten von Lebensmitteln, Werkzeugen und Waffen und die Konstruktion von Schutzbauten auf alle erdenklichen Katastrophen vorbereiten. Schlussendlich ließ sich das aber so nicht realisieren, weil diese Szene extrem misstrauisch ist und eine Kontaktaufnahme oft gar nicht möglich war oder zur Folge hatte, dass wir als Lügenpresse bezeichnet und in Foren als „Merkel-Maas“-Spitzel beschimpft wurden. Deshalb haben wir uns entschlossen, das Thema weiter zu fassen und auch Privatleute zu porträtieren, die sich durch Waffenbesitz, Survival- oder Anti-Terrortrainings auf verschiedene Katastrophenszenarien vorbereiten. Gleichzeitig haben wir eine Reihe von Katastrophenschutzübungen besucht, um zu dokumentieren, wie staatliche Behörden beim Einsatz im Ernstfall, etwa bei Gas- oder atomaren Unfällen, arbeiten.

Drei Jahre Arbeit

Gestartet sind wir im Herbst 2016. Während unserer Reportage-Arbeit sind wir auf unterschiedlichste Menschen getroffen: eine Frau, die ihre Schreckschusswaffe immer mit sich führt. „Survival Training“-Teilnehmer, die sich im Wald unter selbstgebauten Tarnvorrichtungen verstecken oder Flüsse in Camouflage-Kleidung durchschwimmen; Antiterror-Training-Teilnehmer, die lernen, wie man sich gegen Angreifer mit Waffen, aber auch mit einfachen Handgriffen oder Gegenständen, wehrt; Amateurfunker, die in Krisensituationen als sogenannte „Notfunker“ behördliche Stellen unterstützen; ein Mitglied einer Art Bürgerwehr, das in Brandenburg nachts auf Patrouille geht, um für Recht und Ordnung zu sorgen und sich als sogenannter „Sicherheitspartner“ auch mit der örtlichen Polizei austauscht.

Und schließlich zwei Prepper, die uns einen Einblick in ihre Aktionen gegeben haben – etwa das Verstecken ihres „bug out vehicle“, eines Tarn-Fahrzeugs, im Wald. Die Zivilschutzübungen, die wir besucht haben und die aus Geheimhaltungsgründen teils nur mühsam im Vorfeld zu recherchieren waren, reichten von simulierten Giftgas-Unglücken und nuklearen Unglücken über Großbrände bis hin zu Erdbebenszenarien. Polizei, Feuerwehr oder THW waren meist nicht darüber informiert, dass es sich lediglich um eine Übung handelte. Um die Situationen so realistisch wie möglich aussehen zu lassen, wurden zum Teil Statisten engagiert, welche die Rettungskräfte wüst beschimpften – was in der Wirklichkeit wohl in der allgemeinen Panik häufiger der Fall ist. Wir waren unter anderem in einem Salzstollen, in dem auf Mikrofilm die wichtigsten Dokumente aus der deutschen Geschichte gelagert werden – einem von drei Orten in Europa, an denen nach internationalem Recht …


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