Sexy Lichtriesen

14. Dezember 2023

von Herbert Päge

Der Unterschied zwischen einem Objektiv mit Offenblende 1,4 und einem mit 1,2 scheint marginal. Tilo Gockel erläutert die Differenz.

Kein Platz für das lange Telezoom, aber trotzdem viel Unschärfe gewünscht? Das ist die Domäne der lichtstarken Festbrennweiten | Modell: Linda Lena Blanka@Instagram.

Gibt es ein größeres Luxusproblem, als zwischen einem Objektiv mit Lichtstärke 1,4 und einem mit 1,2 oder gar 0,95 zu entscheiden? Nun, man könnte auch hadern, ob man einen Lamborghini oder doch lieber einen Pagani anschaffen sollte. Da kenne ich mich nicht aus. Mit Werkzeugen für Bildschaffende aber schon. Sehen Sie hier, was der vermeintlich kleine Unterschied für die Konstrukteure bedeutet und was er in der Praxis bringt.

Ein kleiner Schritt für den Blendenring

Die Umstellung von Blende 1,4 auf 1,2 ist nur ein kleiner Schritt auf dem Blendenring, aber ein großer Schritt für die Ingenieure. Der Schritt bedeutet nicht etwa eine Veränderung von 0,2 hinsichtlich der Lichtstärke, sondern von immerhin einem halben Lichtwertschritt (umgangssprachlich einer „halben Blende“, Details in Lichtwert EV per usus einheitenlos). Die Formel dazu:

EV2 – EV1 = log2(1,42)–log2(1,22) = 0,97–0,52 = 0,45.

Die effektive Blende vergrößert sich um 17 %, die Fläche der Eintrittspupille um fast 40 % (das ergibt sich aus dem DurchmesserEP = Brennweite / Blendenzahl). Wer mit diesen Randbedingungen arbeiten muss und darüber hinaus auch noch die Größe des Objektivs, das Gewicht, die Abbildungsfehler, die Schärfe und nicht zuletzt die Qualität der Unschärfe optimieren soll, steht vor einer Mammutaufgabe. Eine mögliche Herangehensweise ist, ein 1,8er-Objektiv zu nehmen und hochzuskalieren – ähnlich geschehen beim noch immer sehr guten Canon EF 50mm f/1.2L USM. Dieser Ansatz ist aber nicht mehr zeitgemäß, weil die Objektive zu schwer werden und weil die Fehler, welche die neuen Randstrahlen einbringen, nicht mehr ausreichend kompensiert werden. Mittlerweile setzen die Optikingenieure spezielle Simulationssoftware ein und können, auch dank der Verfügbarkeit von nicht kugelförmigen (asphärischen) Linsenelementen und modernen Herstellungsverfahren, flexibler konstruieren.

Zeitgemäße Konstruktionen für Normalobjektive und für kurze Teles basieren mittlerweile nicht mehr auf den vielleicht sechs oder sieben Einzellinsen der symmetrischen Gauß-Doppelobjektive, …

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