Sternstunde für die Optik

In der Spitzengastronomie hat das lange, sanfte Garen Konjunktur. Mit dem sachten Tempo beim Fertigstellen der EOS R liegt Canon in vergleichbarer Weise im Trend. Aber wessen Geschmack trifft die neue Systemkamera mit großem Sensor? Wirkt die Neue eher wie aufgewärmt oder tischt Canon etwas Feines auf, das die Japaner auf den Punkt gegart haben? Sebastian Drolshagen gibt sich für digit! als Vorkoster.

So ausgefeilt die Gerichte auch sein mögen, auf vielen Karten der Sterne-Küche findet man häufig nur ein Minimum an Informationen: „Jakobsmuschel – Haselnuss – Blumenkohl“. Niemand würde ernsthaft behaupten, er wisse nun, wie das Gericht schmeckt. In der Foto-Welt ist das anders. Da scheint vielen schon ein Datenblatt zu genügen, um genau zu wissen, ob ihnen die neue Kreation mundet. Tatsächlich sieht Canons R-Rezept auf den ersten Blick simpel aus: Man nehme die EOS 5D Mark IV, die EOS 6D Mark II und die EOS M50, um daraus die EOS R zu mixen. Sogar Canon selbst weist auf Parallelen zwischen der EOS R und der 5D IV hin – eine bittersüße Verwandtschaft. Einerseits wittern Fotografen, dass sie bretonischen Hummer zum Preis von Nordsee-Krabben bekommen, denn die EOS R kostet rund 500 Euro weniger als die DSLR. Andererseits lässt es die EOS R nicht allzu frisch wirken, wenn sie mit Anleihen einer Kamera antritt, die bereits vor über zwei Jahren vorgestellt wurde.

Am Ende hilft nur Probieren. EOS 5D Mark III raus aus der Fototasche, EOS R rein, auf gehts zur „Ratsstube“. Klingt gutbürgerlich, aber die Gastro-Bibel „Guide Michelin“ hat Daniel Georgiev und sein Team erst kürzlich mit einem Stern geadelt. Die Jungs kochen akkurat und „à la minute“ – mancher Schaum hält es nicht länger aus. Die passende Kamera zu diesem Job darf also nicht zaudern, sie muss genauso liefern wie die Küchenbrigade. Deren Zauberwort: die „mise en place“, die gute Vorbereitung. Also lassen wir auch die EOS R langsam warm werden und nehmen mit dem Zeiss Milvus 2,8/18 mm den Gastraum in den Blick. Ein Kantersieg für Canons Spiegellose. Helle Tischläufer und dunkle Hölzer könnten einen mit HDR-Aufnahmen liebäugeln lassen, doch die RAWs des 30-Megapixel-Sensors bieten ordentlich Potenzial, was die Dynamik angeht. Mithilfe des Canon-Adapters rastet das EF-Bajonett des Zeiss-Objektivs bestens ein, es funktioniert wie zuvor an der Spiegelreflex – bloß besser! Fokus Peaking, also die farbige Markierung scharfer Bereiche, geht wies Brezelbacken. Die Fokuslupe zur weiteren Absicherung braucht man selbst bei f/2,8 kaum noch. Den dreh- und schwenkbaren Bildschirm der EOS R möchte man ebenfalls nicht mehr missen, er sorgt für komfortables Arbeiten vom Stativ.

Das gilt umso mehr, als die ersten Teller anrollen. Nun gibt die Küche Gas, der Aufbau muss stimmen. Zu den Klassikern der Food-Fotografie gehört der Blick im 90-Grad-Winkel von oben auf den Teller. Große Lampenstative – „C-Stands“ – funktionieren dafür besonders gut; sie sind auf fette Leuchten ausgelegt, aber wenn die Kamera ein bisschen leichter daherkommt, steigt die Stabilität; mit 580 g liegt der R-Body 200   g unter der handlichen 6D II. Der rotierende Bildschirm der EOS R macht diesen Aufbau umso einfacher. Zwar könnte…


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