Listen to Your Eyes

Der Celebrity- und Portraitfotograf Peter Hönnemann sagt von sich, er habe einen intuitiven und direkten Zugang zu den Menschen. Wer seine Bilder betrachtet, glaubt ihm.

Es gibt dieses Making-of-Video, in dem Peter Hönnemann eine Hasenmütze trägt und vor dem Menschen, den er gerade porträtiert, hin und her gestikuliert. Man könnte sagen: Er macht sich für ein gutes Portrait zwar nicht gerade zum Affen, aber immerhin zum Hasen. „Ich habe die Mütze in Berlin bei einer Beuys/Barney-Ausstellung mit dem Titel ‚The presence must be transformed‘ gekauft. Ich nahm das Ausstellungsmotto wörtlich, setzte die Filzhasenkappe auf und lief damit durch Berlin“, sagt Hönnemann. „Es funktionierte, meine Umgebung veränderte sich sofort. Menschen, die gedankenverloren ihres Weges gingen, lächelten – und so habe ich die Hasenmütze dann auch zeitweilig während meiner Portraitsitzungen getragen.“

Die Hasenkappe ist mittlerweile Geschichte, aber sie steht sinnbildlich für Hönnemanns Herangehensweise. Wie allen guten Portraitfotografen geht es ihm auch darum, die Oberfläche zu durchstoßen, zum eigentlichen Kern des Menschen vorzudringen, der da vor ihm steht – darum Facetten sichtbar zu machen, die bislang verborgen blieben. Hönnemann sagt von sich, er habe sich eine gewisse kindliche und unverblümte Art bewahren können, und das komme ihm während der Portraitsitzungen zugute. „Es geht darum, eine Art positiven Kontrollverlust zu erreichen und meine Porträtierten aus ihrer Komfortzone zu holen, ohne dass sie sich dabei unwohl fühlen. „Sicher im Unsicheren könnte man sagen. Bei Top-Schauspielern, die geübt darin sind, in jeder Sekunde in bestimmte Rollen zu schlüpfen, sei das naturgemäß schwerer als bei anderen Zeitgenossen, sagt Hönnemann. Trotzdem, auch hier zahlt sich seine Bereitschaft aus, sich selbst zu öffnen, damit sein Gegenüber sich ihm und der Kamera öffnen kann. Etwa bei Christoph Waltz, den er für die ZEIT-Magazin-Rubrik „Ich habe einen Traum“ vor der Linse hatte. Drei Wochen bevor der Schauspieler einen Oscar für seine Rolle in Tarantinos Anti-Nazi-Blockbuster Inglourious Basterds erhielt, fing Hönnemann ihn ein, wie man ihn wohl selten gesehen hat: bübisch verschmitzt, in sich gekehrt – geradezu privat.

„Es ist wie ein Sprung vom 10-Meter-Turm. Man packt alles in diesen einen Moment, und dann lässt man los.“

Hönnemann ist mit Haut und Haar bei der Sache, wenn er Menschen porträtiert, und er hat eine direkte und körperlich Ansprache, ganz gleich ob es sich bei dem Porträtierten um Bill Gates, den Dalai Lama oder Michael Gorbatschow handelt. „Ich fotografiere total intuitiv, sagt Hönnemann, „ich gehe auf die Menschen zu, frage gleich am Anfang, ob wir uns duzen können. Ich berühre und bewege die Menschen, wenn ich finde, dass die Position für das Foto nicht optimal ist. Und: Ich verstecke mich nicht hinter der Kamera. Es geht mir um eine Reise, die nur zu zweit möglich ist, um den Augenkontakt, maximale Intensität, aber zugleich auch das Gefühl der Stille darin – dann ist der Flow da.

„There’s a starman“ … Hönnemanns Hommage an den gerade verstorbenen David Bowie entstand während des Kampnagel-Sommerfestivals – als One-Shot mit dem Choreografen und Tänzer Vincent Riebek.

„Eine Kamera, durch die man durchblicken kann, ohne die Augen des Fotografen für den Porträtierten zu verdecken – das wäre mal eine technologische Innovation“, sagt Hönnemann, der während seiner Portraitsitzungen mit Canon-Vollformatkameras arbeitet. „Natürlich muss ich die Kamera irgendwann vors Auge heben, was aber schade ist. Andererseits: Wenn sich mein Gegenüber in diesem Augenblick verändert, heißt das, dass wir noch nicht im Flow sind.“

Das mit dem Flow ist einfacher gesagt als getan, auch weil meist wenig Zeit bleibt, um in einen solchen zu geraten. „Zeit ist immer ein Faktor, auch ein Machtfaktor. Die Shootings mit den Prominenten sind auf die Minute getaktet, und wenn man nur eine Minute mehr will, wiegeln die PR-Leute kategorisch ab“, so Hönnemann. „Manchmal ist es aber auch umgekehrt. Dann habe ich mein Bild schon nach einer Minute im Kasten, und wenn ich dann sage ‚danke das wars‘, sind meist alle am Set irritiert.“

Wechsel aus der Modewelt zur Portraitfotografie

Vor 15 Jahren hatte Hönnemann eine Schaffens- und Sinnkrise. Er war erfolgreicher Modefotograf, arbeitete für Kunden wie Dior, Valentino und Zeitschriften wie Marie Claire und Vogue. Aber irgendwann war er dieser hochästhetischen und zugleich ziemlich glatten makellosen Bilder überdrüssig. „Ich hatte das Gefühl, nur noch Popcorn zu essen. Schmeckt zwar für den Moment, ist aber eben nicht nachhaltig. Ich habe dann versucht, meine Bildwelten gegen den Strich zu bürsten, habe meinen Kunden andere Settings und untypische oder auch ältere Models vorgeschlagen, die ich persönlich spannender fand. Ich wollte die Fashionwelt menschlicher und echter machen. Aber die Zeit war wohl noch nicht reif, jedenfalls stieß ich auf taube Ohren“, erinnert sich der Hamburger. „Deshalb habe ich mich entschieden, das Genre zu wechseln und bin dann Portraitfotograf geworden.“

Hönnemann arbeitet auch immer wieder mit Menschen, die eher am Rande der Gesellschaft stehen oder ausgegrenzt werden. Transsexuelle etwa, die er in seiner seit vier Jahren andauernden Serie „Transmission“ auf außergewöhnliche Weise inszeniert und porträtiert. Er zeigt sie nicht etwa im Umfeld ihrer im Dunkel gelebten Subkultur, er „erhebt“ sie, stellt sie auf ein Podest im Louvre oder auf einen Sockel in einem klassizistischen Schlosspark. Bereut hat er seinen Wechsel in die Porträtfotografie nie, im Gegenteil. Die Spannung und Interaktion mit dem Gegenüber möchte er nicht mehr missen, sagt Hönnemann: „Es ist wie ein Sprung vom 10-Meter-Turm. Dieses Gefühl vollkommener Konzentration und man packt alles in diesen einen Moment, und dann lässt man los, darum gehts. Es ist wie ein Rausch, eine Ekstase, die man sonst nur in der Liebe, beim Sex, in der Musik oder Kunst findet. Wenn man das einmal erlebt hat, will man das immer wieder.“


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